"Dankeschön" aus Sankt Petersburg
St. Petersburger öffentliche
katholische Wohltätigkeitsorganisation
“Malteser Hilfsdienst"
Liebe Freunde bei dem Hilfsverein „Christliche Eltern“,
liebe Wittichenauer.
Seit Anfang 2012 hat uns Ihre Spende des Weihnachtsbazars 2011 ermöglicht, die Arbeit der Ärztin im Caritas-Prijut für ältere, gehbehinderte Menschen fortzusetzen. Diese Kurzzeitpflege-Einrichtung wurde von Frau Doris Epple 1999 gegründet, darum trägt die Station (auf Russisch: „Prijut“, bedeutet so viel wie Obdach, Hort) liebevoll den Namen „Unter’m Flügelchen von Doris“.
Jeden Monat legen dort die Pause mitten der Lebensstrapazen 7-8 ältere, meist alleinstehende Menschen, jeder von denen mit vielen körperlichen Leiden zu kämpfen hat. Die Leute melden sich telefonisch bei einer Telefonfrau, die russisch „Dispatcherin“ heißt und erzählen über sich, über ihre Familienlage, Wohnsituation und Krankheiten. Wenn sie nicht zu schwer erkrankt oder behindert sind (da die Station über keine medizinisch-pflegerische Aufsicht verfügt) und natürlich, nicht in die Kategorie der Reichen fallen, werden sie genommen. Für die meisten beginnen dann die 3,5 glücklichen Wochen von Versorgt-werden, vom satt und schmackhaft essen können, von ersehntem Miteinander, Spazierengehen, Fernsehen und Gespräche führen. Nur eine Hilfsschwester steht den Menschen Rund-um-die-Uhr zur Verfügung, die an jeweiligen Tag den gesamten Haushalt macht, einkauft, kocht, spült, wäscht, reinigt etc. Die Prijut-Leiterin Galina ist zwar täglich auch da, die kümmert sich aber vor allem um die administrativen Sachen, wie Wohnungsunterhalt, Einkauf, Wäschedienst, Berichterstattung.
Wir wußten schon lange, daß jede Hilfsschwester mit ihren haushälterischen Aufgaben fast überfordert ist, um sich noch die Leidens- und Lebensgeschichten der Menschen anzuhören. Darum haben wir uns bemüht, dort eine Orthopädie-Ärztin i.R. einzusetzen. Sie wurde zur wichtigsten Person, die für alte Menschen das Ohr hat.
Die Ärztin Ludmila Wassilievna Kalaschnikova erzählt:
"Die meisten Prijutgäste sind im Alter zwischen 70 und 90 Jahre, fast alle haben ganz schlechte Wirbelsäule (Osteochondrose), kranke Gelenke (Arthrose, Osteoporose, Arthritis), Herzerkrankungen (hohen Blutdruck, Zustand nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall), Probleme mit Lungen (Asthma) und Magen-Darm-Trakt, Nierenerkrankungen. So sehr sich die meisten auf die Aufenthalt in Prijut freuen, kommen während dieser Zeit alle ihre langbewährten Erkrankungen zum Augenschein. Mein Ansatz lautet: jeden persönlich kennenzulernen um zu schauen, wo der Heilungsbedarf besteht und möglich ist. Mit jedem spreche ich lange in Diskretion, lese das „Krankheitsheft“, was jeder nach meiner Verordnung aus der lokalen Poliklinik, wie auch die jüngsten Entlassungsscheine aus den Krankenhäusern (die besonders informativ sind) mitbringt. Dann weiß ich genau, wo wir gemeinsam herangehen können und wo, im Gegenteil, vorsichtig sein müssen, um NICHT zu SCHADEN! Ich erkundige mich nach der Arzneien, die sie einnehmen. Wie sehr bedauere ich die Menschen wegen mangelnder Kenntnisse von sich selbst und wegen der wilden Kombination diverser Medikamente, die sie täglich einnehmen. Auf meine Fragen, ob es alles ihnen verschrieben wurde, atmen sie schwer ein und erzählen, daß der übliche Ton eines Arztes, wenn sie mit ihren Beschwerden in die Poliklinik kommen, ist: „Schauen sie sich ab und zu ins Spiegel? Ja, dann schauen sie lieber noch in den Paß rein. Was wollen Sie noch in ihrem Alter?“ Darum nehmen sie Medikamente ein, die ihnen Freunde, Nachbar, ihre Leidgenossen oder die Fernsehwerbung empfehlen!
Meine Aufgabe in diesen 3,5 Wochen besteht darin, daß ich den Menschen die Grundkenntnisse über sich selbst, die Funktion ihrer Organsysteme und ihren Erkrankungen darlege, die einfache Selbstkontrolle beibringe und ihnen die Leitlinien für das weitere Leben mitgebe. Wir beginnen mit dem Blutdruck und Blutzucker, was viele bei sich einfach nicht ahnen. Eine Oma kam neulich mit einem Zuckerstand, den einen baldigen Komazustand bedeutete! Bei mir müssen alle das Blutdruck/ und Blutzucker-Tagebuch führen, die ich dann jeden Tag kontrolliere. Dem setze ich meine individuelle Arbeit an, die ich mit rheumatologischer Beratung ergänze, die mein ärztliches Fachgebiet war. Manchen beseitige ich den akuten Gelenkschmerz-Zustand durch Spritzen-Blockaden, empfehle die modernen Salben, Gel, Tabletten. Ich lehre ihnen die schonende Bewegungstherapie, Krankengymnastik, die richtige Ernährungsweise. Ich selber halte mich immer auf dem Laufenden durch eine medizinische Fachzeitschrift „Ärztliches Nachrichtenblatt“, das vierteljährig erscheint und alle neuesten Diskussionen, Errungenschaften, wie Empfehlungen unserer medizinischen Akademien beinhaltet. Zu meiner großen Freude bin ich hier in der glücklichen Lage, den Menschen innerhalb dieser kurzen Wochen einen medikamentösen Probekurs anbieten zu können, da wir dank einer Spende monatlich nötigen Medikamente einkaufen können. So stelle ich langsam meine Patienten auf wirksame Arzneien um und wir schauen uns gemeinsam die Folgen und Nachwirkungen an. Ich widme sehr viel Zeit den individuellen Gesprächen zu: nicht zuletzt werde ich als Psychologe gefördert, die Depressionen und Pessimismus zu beseitigen, die Menschen vom Einsamkeit- und Unnutzgedanken abzubringen, die Konflikte zu schlichten. Es ist mir klar, daß man heutzutage von den Ärzten nicht erwarten kann, daß sie so viel Zeit ihren Patienten schenken. Mir wird oft gesagt, daß kein Arzt jemals so viel Aufmerksamkeit ihnen schenkte. Das nehme ich meinen Kollegen nicht übel, weil sie irgendwie sich und ihre Familien ernähren müssen. Aber ich genieße es richtig in meinem hohen Alter, neue Lebensaufgabe gefunden zu haben. Ich merke auch, wie gut diese neue Rolle meinem Gedächtnis und Selbstwertgefühl tut, sonst hätte ich mich mit der Rolle einer zu Hause sitzenden Oma abgegrenzt. Leider nehme ich die Probleme jedes Einzelnen zu nah ans Herzen und mache mir ständig Gedanken… Innerhalb dieser Wochen erzähl mir mancher sein ganzes Leben und wird mir zum lieben, guten Menschen. Ich denke mir oft, was für schweres Leben haben die meisten hinter sich: als Kinder der Vor- oder Kriegsgeneration, mit Poliomyelitis zur Welt gekommen und dann infolge ihrer Behinderung ins Kinderheim abgebgeben. Mich fasziniert bei vielen, daß sie sich seelisch nicht abgehärtet hatten, sie sind verkrümmt und trotzdem lebensfroh, sitzen im Rollstuhl und sind keinem nachtragend, haben immer noch Lust zum Handwerk erlernen oder singen… Vom Nichts bleiben sie auch heute verschont, in ihrem getagten Alter. Ein völlig blinder Mann wurde von einer Frau „angeheiratet“, damit er vor ihr rumkommandiert wird und widerstandlos ihren Verordnungen folgt, bis auf die Mülleimer der Kaufhäusern nach Leergut abtasten.
Ein anderer Witwer wurde nur wegen seines Eigentumszimmers „geheiratet“. Er kam zu uns in einem kritischen Zustand wegen vernachlässigter Zuckerkrankheit, schrecklich abgemagert; seine neue Frau, sein Zimmer längst teuer vermietet, hat ihn mit frohem Herzen abgegeben und zu ihrer Verwandtschaft abgereist.
Eine Oma im Alter von 89 Jahren, konnte sich anfangs im Prijut nicht satt essen, sie stand auch nachts auf und griff zum Kühlschrank. Trotz guter Rente lebte sie zu Hause halb verhungert, nur weil ihr geliebter Enkel, ein Langzeitarbeitsloser, ihr die ganze Rente wegnahm.
Seit mir alle diese Lebensgeschichten anvertraut werden, schließe ich jeden fest in mein Herz. Dann fällt aber jeden Abschied entsprechend schwer ein. Nun verabschiede ich mich von jedem mit einer selbstgemachten Broschüre, die ich die „Gute Ratschläge“ genannt habe, die allerwichtigste und nötige Information zu medizinischen Nothilfe und Selbsthilfe, wie auch zur gesunden Lebensweise beinhaltet. Dort sind auch viele nützliche Adressen und Telefonnummer angegeben, wo sie sich evtl. kostenfrei behandeln oder beraten lassen können. Mein Abschiedsgeschenk an jede Gruppe sind außerdem noch meine Kuchen, die ich am letzten Tag backe (mit vielen Nüssen, Trockenfrüchten oder halt traditionellen Blechpiroggen mit Saisonobst – oder Gemüse) und noch heiß aus dem Ofen zum Tee serviere (ich wohne ja im Nachbarblock). So verabschiedet man sich würdig und bleibt einander in guter Erinnerung."
Noch 3 Dankschreiben der Patienten aus dem Jahr 2012 liegen uns vor:
7 Unterschriften. |
5 Unterschriften; am 26.04.2012 |
Unsere hochverehrte, unvergessliche, unersetzbare Lidmila Wassilievna. Wir, die Rentner aus dem gastfreundlichem Caritas-Prijut drücken Ihnen unsere aufrichtige Dankbarkeit aus für Ihre warme Anteilnahme und Aufmerksamkeit zu unseren Nöten und Leiden. Ihr Professionalismus hilft uns das Schwere unserer Begrenztheit zu ertragen. Die Breite Ihrer Kenntnisse tut auch uns gut, da wir eine richtigen Strauch der Krankheiten besitzen und Sie tun uns nicht nur heilen sonder aufklären! Sie schenken und ergiebig Ihre wertvolle Zeit und sich selbst. Haben Sie großen Dank! Gäbe Gott Ihnen gute Gesundheit und einen langen, sogar sehr langen Lebensweg zum Wohl der Anderen. Wir verbeugen uns ganz tief vor Ihnen. Ihre Prijut- Patienten: Unterschriften. |
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Liebe Freunde in Wittichenau,
im Namen von Dr. Ludmila Kalaschnikova und allen Menschen, die durch ihre Arbeit Hilfe erfahren, bedanke ich mich bei Ihnen für Ihre Unterstützung. Bleiben Sie und Ihre Nächsten nach Möglichkeit gesund! Gott segne Sie und Ihre Familien.
Tymkova Irina.